Der Richter-Code by Edgar Franzmann

Autor:Edgar Franzmann [Franzmann, Edgar]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub, azw3
ISBN: 9783863582012
Herausgeber: Emons
veröffentlicht: 2014-08-12T22:00:00+00:00

22

Lukasz wartete bis neun Uhr abends, ehe er sich aus dem Haus am Rheinauhafen schlich. Am Ubierring stieg er in die U-Bahn Richtung Innenstadt. Irgendwann würde »seine« U-Bahn diese Linie ersetzen. Fast eine Milliarde Euro ließen sich die Kölner den Neubau kosten, aber dann sollte die U-Bahn wenige Meter vor der viel befahrenen Rheinuferstraße wieder aus der Erde kommen, womit ein Dauerstau von Bahn und Autos so sicher wie das Amen in der Kirche war.

Wenn man den Tunnel ein paar Meter weiter unter der Rheinuferstraße durchführte, wäre das Problem gelöst. Das würde ein paar Millionen mehr kosten, aber der U-Bahn-Bau ergäbe wenigstens einen Sinn. So produzierte man für eine Milliarde Euro systematisch den täglichen Stau. Wer so etwas plante, musste daran unglaublich verdienen und darauf hoffen, durch die spätere Reparatur noch einmal richtig absahnen zu können.

Wie viel verdiente Carlo an dieser U-Bahn? Irgendwann abends hatte er neben Lukasz am Rhein gesessen und den Schiffen nachgeschaut. »Lukasz«, sagte er, »schau dir gut an, wie das in Deutschland läuft. Dann wirst du in Polen irgendwann ein reicher Mann.«

Lukasz verstand ihn nicht, aber Carlo erklärte es ihm: »Wenn du ein Unternehmen hast, musst du vor allem sehen, dass du an öffentliche Aufträge kommst. So was wie den U-Bahn-Bau. Oder Flughäfen. Oder Messen. Das sind immer sehr teure Projekte. Und da sie aus Steuermitteln bezahlt werden, kümmert sich nie jemand wirklich darum, ob das nicht auch günstiger geht. Die Firmen, die sich bewerben, wissen genau, was sie zu tun haben. Sie planen vergleichsweise preiswert, sagen wir, nur doppelt so teuer, wie es sein müsste. Alles kein Problem, der Steuerzahler hat’s ja. Wenn man den Auftrag hat, wird alles noch einmal doppelt so teuer. Da kannst du dir alle öffentlichen Projekte ansehen, das ist in Deutschland inzwischen akzeptiert wie ein Naturgesetz. Das macht am Ende ungefähr drei Viertel Profit und ein Viertel echte Ausgaben. Da bleibt ganz schön was hängen, von den schönen Spesen mal ganz abgesehen. Klar, dass man davon etwas abgeben muss. An Politiker, Beamte, Anwälte, Mitwisser aller Art. Und an Menschen wie mich, die so etwas einfädeln, die Kontakte herstellen, Geld überbringen und ohne die das alles so nicht laufen würde.«

»Aber«, sagte Lukasz, »ist das nicht Diebstahl? Erpressung? Betrug? Sünde?«

»Ach Lukasz«, sagte Carlo, »ich tu das doch nicht für mich. Ich tu das doch für unser großes Ziel. Für den Triumph unseres Glaubens. Amen.«

»Amen«, sagte auch Lukasz. Aber durfte man für den Glauben sogar morden? Warum war Lena getötet worden? Ja, sie war abtrünnig geworden, aber sie war doch keine Sünderin. Sie war zurückgekehrt. Sie glaubte an denselben Gott und die Jungfrau Maria. Sie sah so unschuldig aus, als er sie auf dem Hügel über dem Aachener Weiher dem Feuer übergab.

Zweifel überfielen Lukasz. War Kathrin, die in seiner Höhle lag, nicht auch unschuldig? Am Rudolfplatz stieg er um in eine Bahn bis zum Heumarkt, von da ging er zu Fuß weiter. An einem Kiosk kaufte er ein paar Flaschen Wasser, etwas Brot und Käse und eine Tafel Schokolade.

Die Baustelle am Waidmarkt lag dunkel da in diesem ziemlich toten Viertel.

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